In Japan ist Hiromi Itō seit den 1970ern als Schriftstellerin und Lyrikerin bekannt. Ihr Roman Dornauszieher wurde in Japan gleich mit zwei Literaturpreisen ausgezeichnet und nun auch endlich auf Deutsch veröffentlicht.
Ähnlich wie Kenzaburo Oe beschreibt Itō im Stil eines Ich-Romans ihr scheinbar authentisches (wenn auch trotzdem fiktives) Familienleben auf zwei Kontinenten. Sie lebt mit ihrer Familie in Kalifornien, als einzige Tochter versucht sie jedoch den Spagat zu schaffen, sich trotzdem um ihre Eltern in Japan zu kümmern. Insbesondere die Pflegebürftigkeit ihrer Mutter und deren Tod ist Thema des Romans.
Daneben erzählt Itō von den Rollenerwartungen, die an sie gestellt werden: als Tochter, als Mutter, als moderne Frau. Abgesehen von diesen Alltagsgeschichten ist der Roman zahlreiche weitere Ebenen: Mythen und Märchen, religiöse Themen, rhythmisches Erzählen – die Kombination aus allem verschaffte dem Roman vermutlich seine Auszeichnungen.
Zugleich erschwert dies beim Lesen teilweise den Zugang zum Text. Man spürt beim Lesen, dass sich im Text mehr versteckt, kann es jedoch nicht richtig greifen. Das ausführliche Nachwort von Irmela Hijiya-Kirschnereit bietet jedoch eine Hilfestellung, diesen Zugang zu finden. Dornauszieher gehört damit zu den Büchern, die sich nicht einfach nur durchlesen lassen, sondern die es erfordern, dass man sich aktiv mit ihnen auseinandersetzt.
Wem Dornauszieher gefallen hat, der findet übrigens mit dem essayistischen Roman Hundeherz einen weiteren Titel von Hiromi Ito, der die Familiengeschichte aus einer auf die Haustiere der Familie zentrierten Perspektive weitererzählt.
Fazit
Ein vielschichtiger, nicht immer einfach zu lesender Roman über das Alltagsleben einer modernen Frau zwischen den Kulturen und zwischen verschiedenen Rollenanforderungen.Verfasst am 1. November 2022 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 10. Mai 2025