Es ist kaum bekannt, dass unter den führenden Industrienationen Japan als einziges Land neben den USA die Todesstrafe verhängt und auch noch vollstreckt – im Jahr 2018 sogar fünfzehn Mal. 13 Stufen problematisiert dieses Vorgehen und gibt einen Einblick in Japans Justizapparat.
„Bitte treten Sie möglichst leise auf und bleiben Sie auf keinen Fall vor einer Zellentür stehen.“
„Wieso das denn?“, hatte Nangō zurückgefragt.
„Die Häftlinge könnten sonst glauben, dass man sie abholen kommt. Mancher rastet dann völlig aus.“Kazuaki Takano: 13 Stufen (E-Book-Ausgabe)
Ryô Kihara sitzt im Todestrakt und wartet auf seine Hinrichtung. Dabei ist sein Fall äußerst dubios: Er kann sich selbst an nichts mehr erinnern, außer, dass er in Todesangst eine Treppe hochgelaufen ist.
Nachdem die vierte Revision nun abgewiesen wurde, wird seine Hinrichtung vorbereitet. Formell muss diese dazu dreizehn Beamte in fünf Instanzen innerhalb der Justiz durchlaufen – diese Verfahren gibt dem Roman seinen Titel.
Im Hintergrund treten anonyme Unterstützer auf den Plan, die einen Anwalt einschalten, um Kiharas Unschuld zu beweisen. Der Anwalt engagiert einen Gefängnisaufseher und einen ehemaligen Strafgefangenen. Das ungewöhnliche Duo beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln.
Dabei bilden der Justizvollzugsbeamte Nangô und der junge, aber reuige Straftäter Jun’ichi Mikami nicht nur ein gutes, sondern auch sehr interessantes Team. Nangô, der desillusioniert von seiner Arbeit ist, aber doch immer noch tief in seinem Herzen an die Gerechtigkeit glaubt, steht vor einer zerstörten Existenz. Als Vollstrecker der Todesstrafe bei mehreren Häftlingen ist er innerlich so belastet, dass seine Ehe zerbricht.
Genauso steht auch Mikami vor den Scherben seiner Existenz. Einmal auf die schiefe Bahn zu geraten ist einfach, aber auf dem richtigen Weg zu bleiben schwer, bemerkt er schnell. Als er aus dem Gefängnis kommt, hat er zunächst falsche Vorstellung, wie sein Leben weitergehen soll, aber schnell merkt er, dass sich alles verändert hat und er das Stigma nicht abschütteln kann. Seine alten Freunde und sogar seine Familie wenden sich von ihm ab.
Gemeinsam ermitteln die beiden erst ein wenig schleppend, doch dann kommt richtig Schwung in die Geschichte. Spätestens nach der Hälfte des Krimis konnte ich ihn kaum noch aus der Hand legen. Was 13 Stufen so besonders macht, sind nicht nur seine für einen Krimi unkonventionellen Ermittler sowie die spannende Mordgeschichte selbst, sondern auch die tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Thema Todesstrafe.
Takano zeigt nicht nur, was bei der Vollstreckung der Todesstrafe im schlimmsten Fall passiert – nämlich, dass ein Unschuldiger hingerichtet wird. Er lässt seine Figuren auch das Rechtssystem und ethische Fragen allgemein verhandeln: Warum wird man zum Mörder? Was ist echte Reue? Ist es richtig einen Mörder zu töten, wenn er bereut? Wann ist ein Mord ausreichend gesühnt? Zudem gibt Takano einige Einblicke, etwa darin, wann Amnestien gewährt werden und wie die Todeskandidaten ihre Haft bis zur Hinrichtung verbringen.
Fazit
Eine Story mit vielen Überraschungen, interessante Charaktere mit Tiefgang sowie ein spannendes Thema - 13 Stufen ist ein durchweg gelungener Kriminalroman.Verfasst am 16. Februar 2020 von Friederike Krempin