Wenn deutschsprachige Autoren über Japan schreiben, dann sind diese Bücher (zumindest in letzter Zeit) immer einfühlsame, durchaus gelungene Werke. Andreas Séchés Namiko und das Flüstern oder Milena Michiko Flasars Ich nannte ihn Krawatte gehören zu diesen Titeln. Und auch Takeshis Haut ist wieder so ein Roman: sehr aktuell, beeindrucken und nachdenklich machend.
Inhalt
Als Geräuschemacherin erhält Frida den Auftrag, einen Film zu vertonen, dessen Tonspur verschwunden ist (und damit übrigens scheinbar auch der Verstand des ehemaligen Toningenieurs). Da der Film in Japan spielt, muss Frida dorthin reisen, denn als Profi weiß sie: Vögel, Fahrstuhltüren, Ampeln – alles hört sich dort sicher anders an als in Deutschland. Doch als Frida mit den Aufnahmearbeiten in Kyoto beginnt, scheint ihr Empfang gestört, die Erde in Aufruhr. Kein Wunder, sie ist nur wenige Tage vor dem 11. März 2011 in Japan angekommen und wird das Große Beben dort live erleben.
Frida erlebt nicht nur das Erdbeben und den Super-GAU in Fukushima Daiichi in den kommenden Tagen, zu allem gesellt sich noch eine interkulturelle Liaison und schließlich die Frage danach, wo sie noch wirklich zu Hause ist.
Das Beben vom 11. März 2011 und Fukushima
Die Autorin Lucy Fricke hat ihre Story Stipendien-Aufenthalts in Kyoto wenige Wochen nach dem Großen Beben vom 11. März entwickelt. Nach den bisher erschienen Augenzeugenberichten wie Japan an jenem Tag ist ihr Roman nun der erste deutschsprachige Roman, der das Thema aus der Perspektive einer sich in Japan aufhaltenden Deutschen verarbeitet. Schade nur, dass dies, wenn man das Buch zum ersten Mal in den Händen hält, gar nicht richtig deutlich wird.
Geräuschsuche
Die Suche nach den Tönen, die zunächst Hauptthema des Buches zu sein scheint, gerät nach dem Beben vollkommen in den Hintergrund. Zwar ist es bis dahin eine wirklich nette Idee, Frida die „japanischen“ Töne in Kyoto suchen zu lassen, wer aber noch nicht da war und sich das Geräusch der Ampeln oder auch Automaten nicht vorstellen kann, wird aus diesen Beschreibungen wohl wenig ziehen können.
Leben in Extremsituationen
Umso bewegender ist dafür Fridas Sinnkrise, in die sie durch das Beben stürzt. Doch ehe sie in diese gerät, ist es vor allem ein Leben in einer Extremsituation. Wie in dieser alle bisherigen Maßstäbe außer Kraft gesetzt werden können, zeigt Fricke eindrucksvoll. Spannend ist auch Fridas Liebesbeziehung in dieser Zeit, die zugleich die Frage danach stellt, an welcher Stelle die kulturellen Unterschiede die Beziehung (in einer Extremsituation) behindern und fördern.
Das Gefühl, das Takeshis Haut schließlich zurücklässt, ist nicht sehr befriedigend. Nicht etwa aber aufgrund einer langweiligen Geschichte, sondern aufgrund einer gewissen Ausweglosigkeit. Vor allem aber macht er sehr nachdenklich. Und wenn ein Buch dies schafft, ist es immer eine Auszeichnung.
Fazit
Bewegender Roman über den Aufenthalt einer Deutschen in Japan während des Großen Bebens vom 11. März 2011.Verfasst am 5. Oktober 2014 von Friederike Krempin
Tags: Deutsche und Japaner, Erdbeben 2011, Interkulturelle Begegnung, Junge deutsche Literatur über Japan, Kyôtô