Auch wenn der 11. März 2011 inzwischen schon weiter zurückliegt, für alle, die diesen Tag in Japan erlebt haben, bleiben Erdbeben, Tsunami und Atomunfall in Fukushima Daiichi wohl ein Erlebnis, das sich nur schwer vergessen lässt. Japan an jenem Tag sammelt in 23 Berichten nun die Erlebnisse, die Deutsche, Schweizer und Österreicher an diesem Tag in Japan gemacht haben.
Wenn man eine Katastrophe vor Ort erlebt, unterschätzt man die Gefahr meist. Außenstehende dagegen überschätzen die Gefahr. Diese Beobachtung des deutschen Botschafters Volker Stanzel, der die Krise im März 2011 vor Ort managen musste, zieht sich im Grunde durch alle 23 Berichte des Buches hindurch: Während die Betroffenen noch damit beschäftigt sind, das Erdbeben zu verarbeiten, realisieren sie erst langsam, dass die Katastrophe damit noch lange nicht ausgestanden ist. Zugleich müssen sie ihre Angehörigen beruhigen, die durch die sensationalistische Medienberichterstattung in Deutschland in Angst versetzt sind.
Die Berichte haben alle nicht den Anspruch, großartig literarisch zu sein, sondern sind vor allem eins: Berichte, unmittelbar und authentisch. Jürgen Oberbäumer beispielsweise beschreibt, wie er nach dem Erdbeben unter Schock in sein Haus zurückkehrt um seine Wertgegenstände zu retten:
Die Erinnerung an all das ist löchrig wie ein Schweizer Käse, manches ist glasklar – anderes einfach nicht zu finden.
Jürgen Oberbäumer, S. 86
Sein Bericht zeigt: Obwohl er mit seiner japanischen Frau schon länger in Japan lebt, ist das Erdbeben für ihn ein tiefgreifendes, verunsicherndes Erlebnis.
Japan an jenem Tag bietet durch die vielen verschiedenen Berichte ganz unterschiedliche Blickwinkel auf das Geschehen: Es gibt Berichte vom oben erwähnten deutschen Botschafter, Lehrenden und Forschern, die sich gerade in Japan aufhalten oder dort seit Jahren wohnen. Es gibt sowohl Berichte aus dem direkt betroffenen Norden, aber auch aus der Hauptstadt Tôkyô, wo das Beben deutlich zu spüren ist und schließlich gibt es auch Berichte aus dem nur indirekt betroffenen Süden Japans.
Für alle, die den 11. März in Japan selbst erlebt haben, ist es spannend, diese Berichte nachzulesen – jeder wird sich in einem oder mehreren der Berichte sicher wiederfinden. Für alle, die die Katastrophe nur über das Fernsehen miterlebt haben, bietet Japan an jenem Tag einen Einblick in das tatsächliche Alltagsleben in dieser schwierigen Zeit, das oft trotz aller Schwierigkeiten auch ganz „normal“ sein kann:
Pflichtbewusst bekam ich seitens der Universitätsbibliothek eine Mail auf Japanisch und Englisch, dass der Leihbetrieb eingestellt würde, weil etwa 500.000 Bücher aus den Regalen hinausgefallen seien.
Manfred Pohl, S. 105
Japan an jenem Tag unterscheidet sich in seiner Perspektive von dem von der Japanerin Yuko Ichimura verfassten Tagebuch nach Fukushima. Wer die Ereignisse aus japanischem Blickwinkel nachlesen möchte, sollte zu diesem Buch greifen.
Fazit
Die japanische Erdbebenkatastrophe aus deutscher Perspektive - die ersten umfassenden Erfahrungsberichte.Verfasst am 1. März 2014 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 12. August 2019