Hatoko Amemiya führt nach dem Tod ihrer Großmutter den örtlichen Schreibwarenladen in Kamakura. Hier gibt es aber nicht nur Notizbücher und Schreibutensilien: Seit Generationen arbeiten die Frauen der Familie Amemiya als öffentliche Schreiberinnen und verfassen Briefe, Karten und Urkunden.
Hatoko hat sich dafür ihre gesamte Kindheit lang in Kalligrafie geübt. Aber nicht nur die Ästhetik ist entscheidend, auch inhaltlich ist es ihre Aufgabe, die unterschiedlichsten Text für ihre Kunden möglichst formvollendet auszuformulieren.
Hatokos analoge, entschleunigte Arbeit in einem gemütlichen kleinen Laden bildet den idealen Rahmen für einen Feel-Good-Roman.
Ito Ogawa erzählt dabei so detailliert von Hatokos Arbeit als Schreiberin, dass der Roman streckenweise etwas langweilig werden könnte, wenn man selbst keine Freude an Kalligrafie, Texten, Papier und der Haptik des Schreibens hat, wie beispielsweise der folgende Ausschnitt zeigt:
„Wenn man das handgeschöpfte Papier berührt, spürt man seine Wärme, was Güte und Sanftheit vermittelt. Es war das perfekte Papier, um die Gefühle von Sonoda-san zum Ausdruck zu bringen.“ (Zitat aus: Ito Ogawa, Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen, E-Book-Ausgabe)
Hatoko verfasst die unterschiedlichsten Briefe, von Abschiedsbriefen, tröstlichen Worten bei einem Unglück über Entschuldigungen und aufmunternde Worte. Immer wieder streut Ogawa auch Wissenswertes ein, wie etwa, wie die Tusche für ein Kondolenzschreiben angerührt werden muss. All diese ästhetischen Details machen Lust auf Entschleunigung.
Zur Entschleunigung trägt auch die durch und durch gemütliche Romanatmosphäre bei: Es gibt ausschließlich harmonische Kontakte. Gibt es Probleme, werden diese schnell gelöst. Die einzelnen Geschichten über Hatokos Kunden sind zudem eingebettet in den Verlauf der Jahreszeiten. Auch leckere Gerichte, die Hatoko gemeinsam mit ihren Freunden isst, nehmen einen wichtigen Raum ein.
Alle Briefe, die Hatoko für ihre Kunden verfasst, sind in voller Länge auf Deutsch und ebenfalls in ihrem Originalentwurf auf Japanisch abgedruckt, was ich für eine bemerkenswerte Entscheidung halte. Zwar werden die japanischen Briefe für die meisten wohl eher nicht verständlich sein, dass so aber zumindest die ursprüngliche Ästhetik transportiert wird, ist ein guter Ansatz.
Fazit
Ein feinsinniges, durch und durch ästhetisches Buch, das in ruhigem Erzählduktus die entschleunigende Kraft des Briefeschreibens feiert.Verfasst am 4. Mai 2025 von Friederike Krempin