Vor zwei Jahren war Die Ladenhüterin ein echter Überraschungserfolg. Nun erscheint mit dem Seidenraupenzimmer ein weiterer Titel, der allerdings deutlich schwerere Kost darstellt als sein Vorgänger.
Zunächst einmal aber zum Äußeren: Das Cover ist ästhetisch gestaltet, der Titel äußerst klingend und so erwartet man hier einen verträumten, ruhigen Japan-Roman. Doch das täuscht: Wie auch bei der Ladenhüterin geht es bei Murata wieder um gesellschaftliche Außenseiter. Doch dieses Mal sind diese nicht nur einfach anders als die anderen, sondern geprägt von sexuellem und emotionalem Missbrauch.
Murata erzählt von Natsuki und Yu, die sich als Kinder verlieben und gegenseitige Treue schwören. Der Fokus der Geschichte liegt allerdings auf Natsukis Jugend. Sie hat das Gefühl, nicht gemocht zu werden, wenn sie nicht perfekt funktioniert. Ihre Eltern bringen ihr keine emotionale Wärme entgegen und als ihr Lehrer sie missbraucht, glaubt ihr niemand. Natsuki verarbeitet das Erlebte nicht und flüchtet sich in eine Fantasiewelt. Als sie Yu schließlich Jahre später wiedertrifft, flüchten sich beide gemeinsam in eine Selbstisolation, die in einer Katastrophe endet.
Schwere Kost ist Das Seidenraupenzimmer vor allem durch die nüchterne Erzählweise, mit der schlimme Dinge geschildert werden, als handele es sich um eine Landschaftsbeschreibung. Vieles wird allein aus Natsukis kindlich-naiver Perspektive beschrieben, eine interessante, irgendwie verzerrte Weltsicht. Zum Ende hin wird es dann so skurril, dass ich mich öfter gefragt habe, wie die Geschichte wohl aus einem anderen Blickwinkel als dem von Natsuki ausgesehen hätte. Doch man kann nicht hinter ihre Realität zurücktreten, nur erahnen, wie die Welt außerhalb des Seidenraupenzimmers aussieht.
Fazit
Zunächst scheinbar ruhig und verträumt, ist dieses doch ernst und ziemlich abgründig.Verfasst am 18. August 2020 von Friederike Krempin
Tags: Einsamkeit, Sayaka Murata, Skurriles