So wie es im Japanischen schwierig ist, das, was wir unter privat und öffentlich verstehen auszudrücken, ist Amae (甘え) ein Konzept, das sich nur sehr umständlich ins Deutsche übersetzen lässt. Der Psychoanalytiker Takeo Doi erklärt dieses psychische Konzept, das eigentlich kein Japanisches, sondern allgemein menschliches Phänomen ist.
Amae, das lässt sich am ehesten beschreiben als „Freiheit in Geborgenheit“. Dieses Element findet sich in allen zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem aber zunächst in der ersten Beziehung eines Menschen – der zu seiner Mutter. Amae bedeutet, sich dessen bewusst zu sein, geliebt und so angenommen zu werden, wie man ist. Diese Beziehung braucht ein jeder Mensch, um sich entwickeln zu können, denn nur wenn er sich der Zuneigung sicher ist, kann er sich in deren Schutz ausleben.
Doi erklärt sein Konzept verständlich und ausführlich und verdeutlicht, wie stark Menschen auf diese Form der zwischenmenschlichen Beziehung angewiesen sind – auch im Westen, wo die Betonung eigentlich auf der Unabhängigkeit des Individuums liegt. Sein Buch, das in Japan zum Beststeller avancierte, fasst sein gesammeltes Wissen für Laien verständlich zusammen. Seine Analyse ist vor allem zunächst eine semantische Analyse von Amae und allen Wörtern, die mit diesem Konzept zusammenhängen, was sicherlich für Japanischlernende interessant sein wird.
Auch wenn Dois Argumentation nicht ganz unumstritten ist, so bietet sein Aufsatz doch einen interessanten Erklärungsansatz für die Unterschiede von japanischer und westliche Kultur.
Inhaltsverzeichnis
- Elmar Holenstein: Zu Japans Andersheit
- Eine erste Vorstellung von Amae
- Die Welt des Amae
- Die Amae-Logik
- Die Pathologie des Amae
- Amae und die moderne Gesellschaft
Fazit
Ein Klassiker japanischer Psychoanalyse.Verfasst am 22. Juli 2011 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 23. August 2019