Gegika als Comic- oder Mangagenre ist in Deutschland bisher noch kein Begriff, lässt aber am ehesten mit dem vergleichen, was unter Graphic Novel tituliert wird: Ernste, dramatische Comics für Erwachsene.
Auch mir fehlte die Vorstellung darüber, was genau Gegika sein soll. Dementsprechend nichtssagend war mir zunächst auch die Autobiografie des Künstlers, der nicht nur den Begriff, sondern auch das Genre in seiner Entstehungszeit, den 50er Jahren, wesentlich mitprägte. Wenn man sich aber auf die Geschichte und auf das Genre der Gekiga einlässt, vermittelt dieser Comic auf ganz besondere Weise ein Stück bisher im Westen noch unbekannte japanische Kulturgeschichte.
Tatsumis Werk ist mit seinen knapp 850 Seiten – der Autor arbeitete 12 Jahre an dieser Serie – ein Mammutprojekt und keineswegs leichte Kost. Gegen den Strom orientiert sich an Tatsumis eigener Biografie. Damit fehlt es der Geschichte natürlich ein wenig an Handlungsdynamik und Spannungsumschwüngen, denn in seiner Erzählung bleibt Tatsumi sehr stark der Realität verhaftet.
Er beschreibt akribisch seine Künstlerkarriere, angefangen mit seinen ersten Einsendungen bei Mangazeichenwettbewerben kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Er beschreibt, wann und unter welchen Umständen er welche Geschichte zeichnete, für welchen Verlag er arbeitete und wie die Verlagshäuser aufgestellt waren. Eigentlich liest sich all dies zusammengenommen schon nicht mehr nur als reine Autobiografie, sondern vor allem als Kulturgeschichte: Wäre Gegika ein herkömmlich geschriebenes Buch, ließe es sich hervorragend als Sachbuch einordnen.
Tatsumi bindet seine persönlich Ereignisse immer in gesellschaftliche Kontexte ein. Der Leser erlebt nicht nur die Entwicklung des Gegika von 1947 bis 1960, die wesentlich zum Format der heutigen japanischen Comics beitrug, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung Japans und den japanischen Wirtschaftsboom mit. Insgesamt vermittelt Gegen den Strom so das Gefühl, die damalige Zeit nacherleben zu können.
Abschließend noch eine kleine Anmerkung zum Preis: Zwar scheinen 44 € auf den ersten Blick viel Geld, bedenkt man aber, dass Graphic Novels sonst in mehreren Bänden erscheinen, dann ist Gegen den Strom mit seinen 843 Seiten gar nicht so teuer, zudem die Ausgabe gebunden ist. Das Buchformat wirkt sich leider aber auch nachteilig aus, denn den dicken Band, der beim Lesen manchmal das Gefühl vermittelt, man blättere in einem Telefonbuch, lässt sich nur schwer als Lektüre für unterwegs mitnehmen.
Fazit
Eine in ausdrucksstarken gezeichnete Biografie fernab des Comic-Mainstreams für alle, die sich für die Entwicklung des japanischen Comics in der Nachkriegszeit interessieren.Verfasst am 12. August 2012 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 23. August 2019