Was macht die junge Generation Japans? Nach Okadas Erzählungen zumindest scheint sie kein leichtes Leben zu führen.
Sie arbeiten als Freeter, der modernen Form eines Tagelöhners. Sie sind weder materiell abgesichert, noch haben sie große Träume. Sie führen noch nicht einmal ein aufregendes Leben.
Wenn zum Beispiel die junge Frau in Der Plural meiner Orte an einem Morgen im Bett döst, ihr Handy und ihren Laptop dabei hat, auf neue SMS wartet und nebenbei Blogeinträge liest, scheint dies absolut banal, dafür aber wie direkt aus der Wirklichkeit gegriffen.
Wenn sich ein Mann und eine Frau in einer Kneipe kennenlernen und darauf 5 Tage miteinander in einem Love Hotel verbringen, scheint auch diese Begegnung zwar spannend, in Toshikis Erzählung aber doch ganz normal. Während die USA gerade ihren zweiten Krieg im Irak beginnen, schotten sich die beiden in einem Raum ohne Fenster von der Wirklichkeit ab.
„Dann hat womöglich, während wir in einem Supertempo im Love Hotel gevögelt haben, der Krieg angefangen und auch wieder aufgehört?! So in etwa. Nicht Love & Peace, sondern Sex & War?“ (S. 69)
Okada ist mit seinen Erzählungen in der Gegenwart angekommen. Nicht nur medial, indem er aktuelle Mediennutzung beschreibt, sondern auch, was die veränderten Einstellung einer Generation betrifft, die in ihrem täglichen Existenzkampf nur noch die Kraft hat, sich um sich selbst zu kümmern.
Die Sprache dagegen ist recht hölzern. Die langen Sätze lesen sich nicht immer ganz flüssig:
„Zunächst unter dem Namen Lärm gebündelt, formten sie sich zu einem unsichtbaren Strudel, und während sie – aus welchem Grund auch immer – kreisend in der Gegend herumwirbelten, stiegen sie, erwärmt von der Abendluft, in die Höhe, und als sie hoch genug schwebten, begannen sie sich von dort oben ein Bild von dem Geschehen unten zu machen, doch als die verstreuten Lichter immer schwächer und diffuser wurden, je weiter diese sich von ihren Quellen entfernten, und all diese schemenhaften Wesen schließlich zu einem einzigen Gebilde verschmolzen, erweckte dies gleichsam den Eindruck, als habe sich schwerer Rauch dort unten zusammengeballt und angestaut.“ (S. 10)
Doch irgendwie passt sein nackter, pragmatischer Erzählstil zu den einfachen Dingen, die er erzählt. Mag es aus unserer Sicht vielleicht spannend sein, sich 5 Tage mit einer unbekannten Person in einem Love Hotel einzuschließen, scheint dies in Okadas Erzählung zu einer recht banalen Angelegenheit zu werden – ohne große Erotik oder schmutzige Praktiken.
Insofern ist Die Zeit, die uns bleibt auch wesentlich weniger spektakulär, als es der Klappentext vermuten lässt:
Und in der Welt wüten Kriege, Naturkatastrophen und Reaktorunfälle.
Auch wenn der Klappentext den Erzählungen geschickt einen spannenden Aufhänger gibt, von Reaktorunfällen und Naturkatastrophen sind die Protagonisten in diesem Buch nicht betroffen. Hier werden falsche Erwartungen geweckt, denn so aufregend ist das Leben der Protagonisten nicht. Aber auch ihr einfaches, unspektakuläres Leben hat etwas Berührendes, denn es ist das Leben einer jungen, kosmopolitischen Generation.
Fazit
Okada skizziert eine junge Generation ohne materielle Absicherung, Perspektiven und große Lebensträume.Verfasst am 8. November 2012 von Friederike Krempin
Tags: Alltag, Blog, Freeter, Japans Schattenseiten, junge Generation, Leidenschaft, Love Hotel