Nirgendwo sonst gibt es bisher einen bekannten Fall, in dem die Quecksilberverseuchung so hoch war wie in Minamata – und für die Anwohner so großes Leid brachte.
Eine ortsansässige Firma, die bis heute existiert, leitete über 30 Jahre ihre chemischen Abwasser direkt ins Meer, was zur Verseuchung führte. Die Folgen waren nahezu apokalyptisch: Die Tiere starben zuerst, über dem Meer stand ein Gestank und die Menschen, die mit Quecksilber verseucht wurden, erlitten irreparable Schäden.
Anfangs ist die inzwischen als Minamata-Krankheit bezeichnete Quecksilbervergiftung nur schwer zu bestimmen: Die Erkrankten zeigen keine Frühsymptome. Die Krankheit äußert sich zunächst durch ein Taubheitsgefühl, schließlich können die Betroffenen nicht mehr sprechen, haben Probleme sich zu bewegen oder erblinden. Bei Neugeborenen, die schon im Körper der Mutter vergiftet wurden, zeigt sich die Krankheit ziemlich grausam: Meist können sie sich weder bewegen noch sprechen und liegen den ganzen Tag – oft dazu blind – in einem Zimmer.
Die inzwischen verstorbene Michiko Ishimure, die selbst in Miyamata lebte, setzte sich schon früh dafür ein, auf die Verseuchung und das damit verbundene Leid der Menschen aufmerksam zu machen. Paradies im Meer der Qualen trug in Japan schließlich wesentlich dazu bei, dass der Umweltskandal aufgearbeitet und die Firma, die den Schaden verursacht hatte, Rechenschaft ablegen musste – auch wenn das Unternehmen den Skandal bis heute klein redet und kritische Stimmen unterdrückt.
Die Form von Paradies im Meer der Qualen ist ungewöhnlich, aber nicht uninteressant: Das Buch bewegt sich zwischen Collage, Reportage und Roman. Es erzählt keine fortlaufende Geschichte, sondern ist unterteilt in einzelne, in sich abgeschlossene Erzählungen und Berichte – die allerdings chronologisch aneinander anschließen. So beschreibt Ishimure zunächst das Schicksal des erblindeten und teils Gelähmten Yuhei, der sich von den Ärzten nicht mehr behandeln lassen will. Traurig ist Ishimures heimliche Beobachtung, wie der Junge vergebens versucht, wie ein Baseballspieler mit einem Stock blind einen Stein zu schlagen.
Das nächste Kapitel enthält dagegen einen Arztbericht und beschreibt die Krankheit systematisch und mit Distanz. Solche Dokumente wie auch medizinische Fachartikel streut Ishimure immer wieder ein. Im krassen Gegensatz dazu stehen immer wieder ihre literarischen, unmittelbaren Schilderungen des Leides der Opfer. So erzählt Ishimure detailliert von den Leiden eines Mannes im Endstadium der Krankheit, der zuvor im Ort als besonders kräftiger und gesunder Fischer bekannt war.
Tausenden Fällen wurde bis heute eine Entschädigungen zugesprochen, jedoch blieb der Umgang des Chemieunternehmens Chisso bis heute fragwürdig. Ishimures Bericht ist erschreckend und macht traurig, da er der Minamata-Krankheit ein ganz persönliches Gesicht gibt. Traurig macht aber vor allem, dass klar wird, dass nichts den Opfern helfen kann und dass sie mir ihren Leiden alleine bleiben werden. Für Ishimure hat sich die Gegenwart verdüstert, ist die Minamata-Krankheit ein Beweis dafür, wie der Wohlstand weniger auf dem Rücken anderer aufgebaut wird.
Fazit
Ein trauriges Buch, das nur wenig Hoffnung macht.Verfasst am 10. April 2020 von Friederike Krempin
Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 7. Juni 2020