Um circa 1000 n. Chr. führte die Hofdame Sei Shonagon eine Art Tagebuch, in dem sie ihre Gedanken und Beobachtungen über den japanischen Kaiserhof festhält. Mehrmals schon wurden diese Beobachtungen auf Deutsch veröffentlicht, nun endlich in vollständiger Übersetzung und mit edler Buchausstattung.
Sei Shonagon arbeitet als junge Frau im Kaiserpalast – dies ist ihr lieber, als bloß als Ehefrau zu Hause herumzusitzen, schreibt sie. Über ihr Leben vor und nach ihrer Zeit am Kaiserhof ist nichts bekannt, nur ihre Aufzeichnungen in Form des Kopfkissenbuches sind erhalten geblieben. Bis heute ist also unklar, wer sie genau war, aus ihren Schilderungen erschließt sich aber das Bild einer geistreichen, literarisch sehr gebildeten jungen Frau.
Sei Shonagon beobachtet das Leben am Kaiserhof ganz genau und trägt Ereignisse und Anekdoten zusammen. Dabei ist das Kopfkissenbuch aber keinesfalls ein zusammenhängendes Tagebuch, sondern die Aufzeichnungen sind lose und ohne chronologischen Aufbau aneinandergereiht. Das Kopfkissenbuch ist also mehr eine Ansammlung an vielen kurzen Texten, die zusammengenommen einen tiefen Einblick in das Leben am japanischen Kaiserhof vor 1000 Jahren geben.
Bekannt ist Sei Shongaon vor allem für ihre assoziativen Aufzählungen:
Was mein Herz anrührt
Spatzen, die ihre Jungen aufziehen.
Wenn ich an spielenden Kindern vorbeigehe
Wenn ich Räucherwekt anzünde, das angenehm duftet, und mich dann allein zur Ruhe lege. […] (37)
In längeren, Essayhaften Texten schreibt sie von Festen und Ritualen am Hof, von ihren Vorlieben für unterschiedliche Monate und Jahreszeiten, aber auch von ganz alltäglichen Ereignissen wie der Verbannung eines Hundes, der den Kaiser erzürnt hat und schließlich doch wieder in Gnade aufgenommen hat.
Aber auch längere Texte beschreiben das Leben am Kaiserhof, Feste oder Naturereignisse. Eingestreut sind außerdem immer wieder – wie alle anderen Texte ohne großen Zusammehang – kurze Abschnitte wie dieser:
Sehr junge Hofleute und Kleinkinder sehen am hübschesten aus, wenn sie mollig sind. Auch Leuten, die über andere gebieten, etwa Lehnsherren, steht es gut an, von rundlicher Statur zu sein. (68)
Hilfreich ist hier besonders, dass Übersetzer Michael Stein alle Abschnitte – sofern sie keine Überschriften haben – im Inhaltsverzeichnis mit kurzen Kommentaren versehen hat. So ist es möglich, das Kopfkissenbuch nach bestimmten Themen querzulesen. Angenehm für das Auge ist auch der schöne Schriftsatz und die besondere Anordnung der Fußnoten. Mit der Abwechslung von langen und kurzen Texten, Aufzählungen und einzelnen Sätzen entsteht so ein schönes Mosaik.
Liebevoll und modern gesetzter Text
Material des Einbandes in der Detailansicht
Kleine Schmuckdtails