Es ist immer wieder schön, wenn auch solche Themen in ein Buch gegossen werden, die so exotisch sind, dass sich ein Druck aufgrund der extrem kleinen Zielgruppe unternehmerisch eigentlich wohl nicht unbedingt lohnen würde. Und besonders erfreulich ist solch eine Publikation dann, wenn sie so liebevoll gestaltet ist wie Die Macht des Bogens.
Die Bedeutung des Bogens in Japan
Der Verlag Angelika Hörnig hat sich auf das Thema Bogenschießen spezialisiert. Umso spannender, dass der Verlag mit „Die Macht des Bogens“ einen Bildband herausbringt, der sich gerade auf das Bogenschießen in Japan konzentriert. Dies hat aber einen einfachen Grund: In Japan hat der Bogen – gerade im Vergleich zu unserer westlichen Kultur – eine besondere Bedeutung und ist dort mehr als eine Waffe. So taucht der Bogen in den vorgestellten Holzschnitten aus dem 18. und 19. Jahrhundert nicht nur bei Kriegerportraits auf, sondern ist auch ein Attribut von Adel, Göttern und Romanhelden.
Bildband und Japankunde
Bilder und Texte nehmen in Die Macht des Bogens jeweils ungefähr die Hälfte der Fläche ein. Das Buch ist also kein reiner Bildband, sondern erhält auch zahlreiche Erläuterungen. Dabei handelt es sich aber nicht um Interpretationen der Holzschnitte, sondern vornehmlich um beschreibende Texte, die über die japanische Kultur informieren: zu Holzschnitten mit Göttern und Romanhelden werden die jeweiligen Mythen und Sagen vorgestellt, bei Götterbildern wird der Buddhismus erläutert und mit Portaits, die die Edo-Zeit portraitieren schließlich das Leben in dieser Epoche. Die Macht des Bogens ist also auch eine Annäherung an japanische Kultur und Geschichte bis zum 19. Jahrhundert.
Modernes, klares Layout
„Alte“ Bilder interpretieren noch ältere Übelieferungen
Das umfangreichste Kapitel widmet sich dem Bogen als Waffe von Kriegern und Helden. Es sind vor allem Adelige und Angehörige des Kaiserhauses, die hier vorgestellt werden – immer anlässlich eines Holzschnittes, der von ihnen angefertigt wurde. Viele der vorgestellten Protagonisten lebten schon vor dem 10. Jahrhundert, die Holzschnitte sind aber aus dem 18. und 19. Jahrhundert, also eine alte Interpretation einer noch älteren Epoche. Die Macht des Bogens zeigt den Bogen also vor allem aus dem Blickwinkel der Edo-Periode.
Holzschnitt mit einer Szene aus dem Genji Monogatari
Der Bogen in der Literatur
Besonders interessant für alle Leser von japanliteratur.net ist sicher das Kapitel „Der Bogen in Literatur und Kunst“. Hier gibt es Holzschnitte zum genji monogatari oder allgemeiner Sagen wie zur Fuchsfrau. Die meisten Figuren und ihre literarischen Quellen, die hier vorgestellt werden, werden aber wohl höchstens Japanologen ein Begriff sein. Genauso ist es mit vielen Kriegern, Adeligen und Protagonisten aus den anderen Kapiteln.
Ein Buch nur für Bogenfans?
Die Macht des Bogens scheint auf den ersten Blick nur ein Buch für die kleine Gemeinde der Fans des Bogenschießens zu sein. Bei genauer Betrachtung ist es aber eher andersherum: Dieses Buch ist ein Geheimtipp für alle, die japanische Kunst, insbesondere Holzschnitte, lieben, da es die Holzschnitte im Kontext des Bogens in einem ganz anderen Licht zeigt. Das Buch ist außerdem fast frei von den üblichen ukiyo-e Bildern, die immer wieder und überall abgebildet werden und zeigt eine ganz spezielle Auswahl an Holzschnitten. Es stellt sich also eher die Frage, ob Bogenfans sich für Japan und den Holzschnitt-Stil begeistern können – denn trotz seiner Spezialisierung ist dieses Buch wohl vor allem für Kunst- und Japanfans gemacht.